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Künstler: Disillusion Album: Gloria Erscheinungsjahr: 2006 Anspieltipp: Dread it Autor: Markus Diverse Verlautbarungen des Leipziger Trios in Interviews sowie via bandeigener Homepage ließen ja bereits erahnen, dass Disillusion den auf ihrem Erfolgsalbum „Back to times of splendor“ eingeschlagenen musikalischen Kurs nicht fortführen würden. Vielmehr sei die Formation bemüht, den bandeigenen Sound auf einen anderen Level zu hieven, etwas gänzlich Neues zu kreieren. Selbstredend ist daher „Gloria“ – so der interpretationsfreudige Name des lang erwarteten Zweitwerks – kein lauer Aufguss des 2004 ins Rennen geschickten und seitdem mit Lob überhäuften Vorgängers geworden. Frönte man seinerzeit noch progressivem Death Metal mit gehöriger epischer Schlagseite, so lässt sich die heuer dargebotene Tonkunst am ehesten mit den Attributen „modern“ und „elektronisch“ etikettieren. Disillusion haben sich einer wahrhaftigen Generalüberholung unterzogen. Wüsste man es nicht besser, könnte man kaum glauben, dass sowohl „Back to times of splendor“ als auch „Gloria“ von der selben Band eingespielt wurden. Jener Umstand wird vor allem bei engstirnigen Fans der Kapelle und fanatischen Anhängern des Debutalbums für Verwirrung, Missmut oder Enttäuschung sorgen. Aufgeschlossene Musikkenner werden jedoch mit einem engagierten, mitreißenden und innovativen Album belohnt, welches sich jeglichen Kategorisierungsversuchungen widersetzt und als mutiges Statement der ostdeutschen Formation durchgeht. Bereits der formidable Opener „The black sea“ umreißt den neuen Disillusion Sound perfekt. Angesichts der elektronischen Beats, des verzerrten Sprechgesanges und des äußerst modernen Riffings wird wohl so mancher Die-Hard-Metaller Zeter und Mordio schreien. Dennoch funktioniert besagter Song vortrefflich. In diesem Zusammenhang sei insbesondere auf den grandios in Szene gesetzten Refrain verwiesen, welcher dem Konsumenten bereits nach wenigen Hördurchläufen tagelang in den Gehirnwindungen rumspuken wird. Äußerst atmosphärisch kommt das nun folgende „Dread it“ daher, welches in erster Linie durch eine hinreißende Melodieführung und einen wiederum herausragenden Refrain punkten kann. Wir sprechen hier von einem offensichtlichen Hit, der die alternativen Diskotheken dieser Nation mit Leichtigkeit aufmischen sollte. Deutlich weniger melodiös mutet das durch eine düstere Spoken-Word-Passage eingeleitete „Don’t go any further“ an, welches durchaus etwas Eingewöhnungszeit abverlangt, im Endeffekt aber vor allem auf Grund von unkonventionellen Arrangements und erstaunlichen harten Computerbeats zu gefallen weiß. „Avalanche“ entfaltet seine Wirkung schleichend. Nimmt man den sehr melancholischen Song zuerst kaum war, entwickelt sich die Nummer zunehmend zu einem der unumstrittenen Höhepunkte des gesamten 51minütigen Longplayers. Dies liegt in erster Linie am Trip-Hop-artigen Aufbau der Komposition, sowie an den gefilterten, zunächst etwas befremdlich wirkenden Vocals. „Gloria“ wartet mit sehr schönen Chören und enormem Hitpotential auf, wohingegen das nun folgende Instrumental „Aerophobic“ gelinde gesagt ausgeflippt und rein elektronisch ausgefallen ist. Auch „The whole we are in“ weiß erst im Laufe der Zeit zu gefallen, sammelt aber einmal mehr durch eine innovative Songstruktur und allerhand außergewöhnliche Effekte Pluspunkte. Mit „Save the past“ kredenzen Disillusion dann wieder eine sehr eingängige Komposition samt gänsehautartigen Melodien und grandiosem Refrain, ehe es der Hörer im zweiten Instrumental „Lava“ wieder mit etwas schwerer verdauliche Kost zu tun bekommt. Das sehr abwechslungsreiche und weitschweifige „Too many broken cease fires“ würde bereits einen gelungenen Abschlusssong darstellen, gäbe es da nicht das deutsch betitelte „Untiefen“. Letztgenannte Nummer kommt äußerst ruhig und experimentell, keinesfalls aber langweilig daher und beschließt das Album in perfekter Manier. Kommerzieller Selbstmord oder Ei des Kolumbus? „Gloria“ wird ohne Zweifel für hinreichend Diskussionsstoff sorgen. Ob sich die ostdeutsche Formation mit ihrem Zweitwerk in verkaufstechnischer Hinsicht einen Gefallen getan hat, werden natürlich die Fans entscheiden. Meiner Einschätzung nach liefern Disillusion auf jeden Fall ein hervorragendes Album ab, welches trotz aller Unterschiede mindestens so eindrucksvoll ausgefallen ist wie das grandiose Vorgängerwerk. P. S.: Es handelt sich bei diesem Review um eine ehrliche, absolut ernst gemeinte Einschätzung eines unabhängigen Redakteurs, der weder Geld für seine Arbeit bekommt noch vom Plattenlabel Metal Blade Records oder der Band Disillusion veranlasst wurde, eine positive Kritik abzuliefern. Die in anderen Rezensionen häufig zu lesende These, dass nur hoch bezahlte und in irgendeiner Form beeinflusste Redakteure „Gloria“ in den Himmel loben würden, ist also blanker Unsinn. Bildet euch lieber selbst euer Urteil und scheißt auf die Meinung selbsternannter Szeneverfechter.
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